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  • Lena Gorelik

Island – 17. Mai 2016 – tagewiediese

Das ist die harte Wahrheit.


Auf einen Heuberg klettern, mit Dynamik und Verve. Bis oben unter die Steine. Und dann herunterblicken, und nicht mehr wissen, wie: wie man herunter kommt, und wie man das macht, dass der Kopf nicht schwindelt, und wie und warum man auf diesem Berg gelandet ist. So geht es mir manchmal auch mit dem Leben. Wir kommen dann doch runter, in Etappen, wie beim Umzug, erkläre ich den Kindern, vorsichtig herunter rutschen, auf einem Plateau warten, weiter in diesen kleinen, klar abgesteckten Schritten. Später ist man unten und stolz, und nur noch der Gedanke: Wenn es diese Parallele zum Leben gibt: Wo ist dann unten?


Das ist die harte Wahrheit.


Die Landschaft prasselt inzwischen draußen, sie existiert. Vielleicht ist Island wie eine Beziehung, die zu einer Selbstverständlichkeit verkommt. Das “Schau mal” wird zu einem “Oh”. Das “Oh” wird zu etwas, wofür man sich nicht mehr die Mühe macht, den Mund zu öffnen. Die Landschaft ist schön, nichtsdestotrotz. So ist es eben.


Flúðir, eine heiße Quelle mitten im Nichts. Früher kannte sie kaum einer, und die Einheimischen beobachten die Quelle, in der Suche nach Momenten, in denen die Touristen nicht da sind. Sie zählen die Touristen wie Eindringlinge.


Das ist die harte Wahrheit.


Sich mit Dingen abfinden, durchatmen. Durchatmen lernen. Das Durchatmen üben. Die Reihenfolge wird eine andere sein.


Das Leben als Möglichkeit leben, Ängste ablegen. Sich zufrieden geben mit Mittelmäßigkeit, beides am selben Tag. Ich könnte was sagen, ich könnte was schreiben, ich könnte lachen, und ich lasse es sein.


Das Beste, was ich geschrieben haben werde, habe ich vielleicht schon geschrieben, es liegt in einer Kiste, auf einer Kommode. Wenn ich hinausgehen würde damit, ist es wie mit dem Heuberg, wie mit meinem Leben, ich renne und drehe mich erst am Ende wieder um.


Es gibt Momente, besondere. Dazu gibt es die Frage nach dem Wann. Die Frage darf man manchmal stellen und manchmal nicht, das Leben ist ein einziges Manchmal. Aber es ist nicht das Leben, was ein Manchmal ist.


Durch eine Lavahöhle kriechen. Durch eine Lavahöhle rollen. Es ist kalt und gut und manchmal stößt man sich den Kopf, aber man trägt einen Helm. Die Freude über getrocknete Fische. Die Tränen über eine Tüte Pommes. Das Glück über ein gelungenes Bild. Die Bewunderung, die in zu viel Emotionalität gekleidet wird. Das Hähnchenfleisch im Wok.


Es gibt Momente, besondere. Manchmal gibt es sie nicht. Der Gedankenaustausch beginnt, wenn es schon ganz leise ist.


Das ist die harte Wahrheit, und ich bin nicht diejenige, die das sagt.

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