23. März 2020
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Corona-Blog Tag 9 / Dienstag
Während ich schreibe, erzählt mir die Tagesschau-App etwas über die Ausgangssperre in Großbritannien, und nebenan skypen die Kinder mit einem Freund und verabreden sich zu einer Kuchen-Konferenz um vier. Wir essen Kuchen in unserer Küche, seine Mutter und er essen einen – anderen – Kuchen in ihrer Küche, über einen Videochat schauen wir uns dabei zu. Unser Kuchen stammt vom Bäcker, ich backe nicht. Eines der Kinder backt außerordentlich gerne, aber danach müsste ich die Küche aufräumen, und es ist gerade alles ein einziges Muss. Ich träume davon, dass sich Nachbarn gegenseitig Essen vor die Tür stellen; man kocht ja eh. Es wäre allen damit geholfen, den Eltern, die Kinder, Arbeit, Haushalt, vielleicht sogar alleinerziehend, unter einen Hut bringen müssen, allemal; die Älteren freuen sich erst recht über diese Gesten. Und freuen wir uns nicht letztendlich alle, halten wir uns nicht an ihnen fest, an den guten Gesten dieser Tage? Vielleicht träume ich auch nur von Kuchen vor meiner Tür. Morgen bin ich mit meinem besten Freund zu einem Bier verabredet. Wir treffen uns gegen neun. Ich habe gestern gelernt, dass es im Norwegischen ein Wort gibt für Draußen-Bier. Wir treffen uns auf ein Video-Bier, und es wäre ein schlechter Witz, wenn ich sagen würde: Ein Corona-Bier. Mein Sohn bietet mir an, ein Löwenbräu-Fass zu basteln, dann sieht es wie in einer Kneipe bei uns. Zum Scrabble-Spielen bin ich auch schon verabredet, ich habe quasi beinahe schon Freizeitstress. Ich sehe keine Menschen. Die Menschen, die ich sehe, sind Familie, oder Menschen, die ich durch Plastik oder Glasscheibe sehe. Manchmal sitze ich wie der Hund früher auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer und sehe den Menschen draußen zu. Bei Facebook rechnen welche immer wieder aus, warum die Ausgangsbeschränkung keinen Sinn macht, wie gering doch die Erkrankungszahlen in Korrelation zu den Bevölkerungszahlen sind. Ich nehme mir nicht mehr die Zeit, diese Statements durchzulesen. Wir sind heute Fahrrad gefahren, es war so kalt, dass eines der Kinder meinte, zum Eisblock zu werden, ein Polizist winkte uns aus dem Auto zu. Bei einem Bäcker ein Schild, das besagte, dass Pflegekräfte, Polizisten und Ärzte einen Kaffee kostenlos bekommen, ich sagte ja schon, diese kleinen Gesten. Während ich das schreibe, haben die Kinder aufgehört zu skypen, sie spielen jetzt Herrchen und Bernhardiner. Der Bernhardiner, höre ich, möchte raus und darf nicht, ich weiß nicht, vielleicht haben die im Spiel auch Corona, vielleicht ist Corona jetzt sogar in Fantasie.