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10. Apr. 2020

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Corona-Blog Tag 27 / Samstag

Ostern also, das Fest mit den Hasen, den Eiern und der Kreuzigung Christi, eigentlich andersherum, also in umgekehrter Reihenfolge. Noch einmal von vorn: Ostern also, das Fest mit der Kreuzigung Christi, aber das kann man, finde ich, die Nicht-Christin, nicht so sagen in einem Satz: Es ist schwer für mich, einen Satz zu bilden, in dem Kreuzigung und Fest in Abhänigkgeit zueinander stehen. Die Hasen kamen erst später dazu, und beim Schreiben fällt mir ein, dass ich gar nicht weiß, woher die Hasen kommen, sind sie eine Erfindung der Schokoladenindustrie. Bei der Ostereiersuche habe ich die vorsichtige Vermutung, dass sie von den Jüd*innen und dem Pessach-Fest kommt: Bei uns wird immer ein halbes Stück Mazza versteckt, die Kinder müssen es dann suchen. Mazza ist dieses ungesäuerte Brot, knusprige Brotfladen, es schmeckt nach nichts, aber macht trotzdem süchtig, man knabbert das wie Chips so vor sich hin. Die Ostereiersuche: Ich vermute, aber mache mir nicht die Mühe nachzulesen, eine aufgemotzte und versüßte Version eines Pessach-Rituals. Als Kind gab es kein Ostern für mich, das waren so freie Tage, an denen hing ich, wenn das Wetter schön war, draußen rum. Später, als die Kinder kamen, lernte ich, Ostereier zu verstecken, und nahm im Patchworkfamilienkonstrukt, das sich über die Anzahl der Ostereier und die Größe der Geschenke uneinig war, die Vermittlerin-Rolle ein, ich selbst hatte keine Meinung, bis auf die: Streitet Euch nicht. Die Ostereier versteckten wir im Englischen Garten, anschließend oder davor gab es ein großes Frühstück, ich bereitete mit den Kindern ein Oster-Theaterstück vor, mein eigenes Ritual. Es kamen jedes Jahr Osterhasen darin vor und mehrmals Räuber, und die Erwachsenen klatschten wie angewiesen, und alle waren irgendwie beschäftigt. Dieses Jahr: Nichts davon. Es trifft mich, wie sehr es die anderen Familienmitglieder trifft. Es trifft mich, als ich an Karfreitag die Nachrichten schaue, all die Berichte, wie der Tag menschenlos in Jerusalem, im Vatikan begangen wird, in Kirchen huerzulande, der Beitrag nimmt ein Drittel der Tagesschau ein. Ein großes Fest für all die anderen Menschen, denke ich, da habe ich noch die Bilder der Kreuze vor Augen hängen, und ich denke, dass sich Einsamkeit an Festtagen mit sich selbst multipliziert.

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