31. März 2020
.
2
Min. Lesezeit
Corona-Blog Tag 17 / Mittwoch
Der Umgang mit dem Corona-Virus: Turkmenistan verbietet zum Beispiel das Wort. Wer es ausspricht, muss mit Strafen rechnen, so melden Reporter ohne Grenzen. So geht das natürlich auch, beziehungsweise so geht es natürlich nicht. Es gibt eine Menge Dinge, die gerade nicht gehen: Viktor Orbán will Bürgermeistern manche Kompetenzen entziehen, er will quasi Alleinherrscher sein. Dann nimmt er die Ankündigung zurück, all das geschieht hier in Europa. Wobei, Europa, dieser Tage mehr ein Wort als eine Gemeinschaft, gestern bat der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beinahe bettelnd um europäische Hilfe. Sobald das Wort „Italien“ in den Nachrichten fällt, sind diese Särge zu sehen, dieses symbolgewordene Bild des Todes. Habe vorhin den Kindern erzählt, dass der Hund der Großeltern verstorben ist. Habe so begonnen, wie man beginnt, oder ich habe zu viele Filme gesehen. Ich muss Euch etwas sagen. Ihr wisst doch, dass. Ich weiß, was du sagen willst, sagte einer bereits unter Tränen. Die Verzweiflung von Kindern, die halten wir, so gut es geht, fern. Es ist, weil wir uns selbst beschützen. Wir riefen Großmutter an, weinend. Sie erzählte, wer alles im Himmel auf den Hund aufpasse, Urgroßeltern, der Großonkel, unsere andere verstorbenen Hündin. Wir legten weinend auf. Ich schlug eine Abschiedsfeier vor und meinte morgen, aber die Kinder meinten, dass eine Abschiedsfeier ohne Großeltern nicht geht. Wenn Corona vorbei ist, dann fahren wir einfach zu Oma und Opa, sagte einer, und es klang, als wäre das übermorgen oder nächstes Wochenende vielleicht. Ja, sagte ich, dann. Dann, ich habe keine Vorstellung von dann. Ich habe keine Vorstellung von der „Lockerung von Maßnahmen“, ich habe keine Vorstellung davon, wie ich die Kinder zu den Großeltern bringe. Ich habe keine Vorstellung, wie viele Tränen, wie lang eine Umarmung, ich habe keinen Mut, das „dann“ in ein „wann“ zu verwandeln. Ich sage nichts, ich schlage vor, dass wir vielleicht Luftballons für den Hund steigen lassen und Zettel mit Wünschen daran hängen, und der Kleine sagt, vielleicht auch ein kleines Würstchen. Dieses Gefühl, in einem Film zu leben. Der Film würde mit einer guten Nachricht enden, irgendjemand, Frau Merkel vielleicht, im (filmisch gesehen) schlimmsten Fall Herr Drosten, verkündete, Corona sei für immer besiegt. Menschen würden auf die Straße rennen, singen, tanzen, Kinder in den Armen der Großeltern, Liebende wieder vereint, als letzte Einstellung eine Umarmung. Oder eine Totale, in der Menschenmassen auf der Straße zu sehen sind, tanzend. Dieses Gefühl, in einem Film zu leben, aber der Film findet dieses Ende nicht.