30. März 2020
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Corona-Blog Tag 16 / Dienstag
Einkaufen, das erste Mal seit Tagen, es kommt mir wie ein Ausflug vor. Wie eine Unternehmung, ich ziehe mich an, begebe mich unter Menschen. Ich drücke einen Aufzugknopf, um aus der Tiefgarage in den großen Supermarkt zu kommen, ich drücke ihn mit meinem Ärmel, als wäre das das Selbstverständlichste der Welt. Ich bin aufgeregt, weil ich Aufzug fahre. Die Einkaufswagen werden von einem Mitarbeiter desinfiziert, einen Euro muss man auch nicht mehr einstecken, ich nehme alles hin, obwohl ich das zum ersten Mal sehe. Als müsste ich den Zeiten nicht mehr hinterher rennen, als wäre Corona Normalität. Die Menschen ganz ruhig, verteilen sich durch den Supermarkt, Klopapier ist auch noch da. In was für Zeiten sind wir denn gelandet, in denen ich das erwähnen muss, dass Klopapier im Supermarkt liegt. Erinnert mich an die Kindheit in der Sowjetunion, da wurden wir Kinder in Supermärkte geschickt, um zu schauen, was es „heute“ gibt, und dann Bericht zu erstatten. Corona: Ich erstatte über meinen Supermarktbesuch Bericht, und überall sterben Menschen. Es fällt mir auf, es fragen nicht viele Menschen nach der Zeit. Ich lese in den Nachrichten bis Mitte Mai, bis Juni, bis Oktober, verlängert, dehnbare Zeiträume, wir leben alle von Tag zu Tag, nur das Virus breitet sich über Wochen und Monate aus. Ich frage die Kinder nicht, ob sie meinen, dass die Schule nach Ostern wieder beginnt, und ich sage ihnen nicht, was ich meine. Der Kurzzeitblick ist ein Schutzschild, es sind nicht viele, die wir dieser Tage haben. Ich bekomme die Bilder der Flüchtlingslager nicht aus dem Kopf, von diesen Menschenschlangen, die sich anstellen, weil sie sich die Hände waschen wollen. Jeden Tag telefoniere ich mit meinen Eltern, sie suchen einen Sandwich-Macher für mich. Sie wollen mit mir die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle diskutieren, und ich will nur, dass er schnell geliefert wird, dann wäre eine Mahlzeit am Tag per Maschine erledigt. Heute rief ich sie beim morgendlichen Laufen an, es waren Minusgrade in München. Hör auf, ihr etwas zu erzählen, ist doch kalt, sie soll nachhause, wies mein Vater meine Mutter im Hintergrund an, die den Hörer in der Hand hatte. Manchmal weiß ich nicht, wer hier auf wen aufpasst, ich suhle mich kurz in diesem Gedanken, einfach nur ein Kind zu sein.