In den Zug steigen, nach zwei Wochen Quarantäne. Fast fremd sich alles an, der Bahnhof, die S-Bahn, der Zug, der Koffer, den ich hinter mir ziehe, der rote. Wie eine Eremitin, unsichere Schritte, aber vielleicht sind die Schritte gar nicht unsicher, vielleicht bin ich es, als hätte ich alles vergessen. Der Himmel nach dem Sturm ganz wild, als könne er sich nicht für eine Stimmung entscheiden. Oder ich suche, dass der Himmel dasselbe fühlt wie ich. Schreiben, lesen, sich an all den Dingen freuen, die ich tue; sich freuen, dass so viel geschieht. In alten Gefühlen baden, wie im dreckigen Wasser, warten, bis das Wasser abläuft, bis die Gefühle zu dem werden, was sie schon mal waren: alt. Vermissen. Oder auch nicht vermissen. Sich vor-freuen auf alles, was kommt. Meine Mutter schreibt mir diese Geschichte, von einem 82-jährigen Freund, der eine neue Freundin, eine neue Liebe hat. Kannst Du Dir das vorstellen, schreibt sie. Kann ich mir das vorstellen, dass das Leben neu ist, immer wieder, dass nie etwas abgeschlossen ist, dass das Alter keine Grenze ist, dass Grenzen dazu da, überschritten zu werden, nichts anderes will ich mir vorstellen kann als das. (Wenn ich das so runter schreibe, ohne Korrektur zu lesen, kommt es mir banal vor, verkitscht.) Gestern hat Frau M. von innerer Trennung gesprochen, an dem Begriff hänge ich immer noch fest.
Lena Gorelik
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