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  • Lena Gorelik

Corona-Blog Tag 10 / Mittwoch

Aktualisiert: 30. Juni 2021

Und dann ist Corona plötzlich da. Nicht als gefährliche Wolke, nicht mehr unsichtbar, kein Wort mehr, sondern ein Zustand. Es beginnt mit einer Mail, die von einer Bekannten kommt, sie und ihr Mann haben Corona. Letzte Woche, auf einer Party, sie beschwert sich über das Gesundheitsamt, das sie beim Verdacht mehrere Tage lang nicht erreichte. Aus Berlin höre ich von einer Freundin, sie kenne schon viele, da ist es in München noch ruhig, da blicken wir noch auf die Straßen hinaus, wie viele sind denn da, wie viele trauen sich noch auf die Straße. Und dann, es kommt ganz plötzlich, trifft es so viele um einen herum. Ein Vater im Krankenhaus, ein Schwiegervater, der beatmet werden muss. Ganze Familien, die das Virus erwischt. Dazwischen freue ich mich über gefüllte Paprika im Tiefkühlfach von meiner Mutter, eine Mahlzeit weniger, die gekocht werden muss. Als ich wieder auf das Telefon blicke, ist jemand aus der Familie einer Freundin an Corona gestorben. Draußen scheint die Sonne, aber ich stelle es mir immer noch kalt vor, so kalt wie gestern.


Den Kindern sage ich nichts, meinen Eltern sage ich nichts, ich schreibe auch niemandem. Die Menschen machen das so gut sie können, ich sehe das und versuche, es ihnen zu sagen, dass sie das gut machen. Wir halten uns alle wacker, irgendwie. Jetzt schreibe ich darüber, zwischendrin blicke ich auf mein Konto wegen dieser Soforthilfe Bayern, die irgendwann kommt, aber offensichtlich nicht sofort. Ich bin zu müde, um mich zu ärgern, ich fände es unfair irgendwie. Ich dachte nie, dass ich das sagen würde, aber ich nehme an, Söder macht es ebenfalls so gut, wie er kann, irgendwie. Irgendwie, auch so ein Wort dieser Tage.


Ich habe ein Wörterbuch der neuen Worte: Kontaktverbot, Ausgangssperre, Risikogruppe. Ich schreibe sie in rot untereinander, und manchmal starre ich die Seite nur an. Wir haben alle schlechte und bessere Tage, und irgendwann wird der Frühling wieder kommen, und draußen vor dem Fenster macht eine Frau Sport bei uns im Kopf, sie hat zwei Bälle und eine Isomatte dabei. Ich winke ihr zu, ich habe sie noch nie vorher gesehen. Sie sieht mich nicht, sie macht Kniebeugen, und ich zähle hinter der Fensterscheibe mit. Eins, zwei, drei, vier und so weiter.


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