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  • Lena Gorelik

Island – 8. Mai 2016 – krank. einsam. und so.

Krank. Die Krankheit übernimmt den Körper innerhalb von Sekunden: Noch sitze ich da, spreche. Dann schmerzt der Kopf, dann die Beine, die Arme, die Krankheit kriecht nicht hinein, sie übernimmt den Körper mit einem Schlag. Nachts schüttelt es mich, es wirf mich, und am Schlimmsten sind die vermeintlichen Déjà-vus, die eigentlich Erinnerungen an Alpträume sind: Ich weiß nicht mehr, wo ich bin, und wer zu wem gehört, und wohin ich.


Krank.


Als ich nach Island kam, dachte ich, das ist ein Land, in dem man über Einsamkeit schreiben müsste, über all die Menschen, die in den vereinsamten Häusern mit den bunten Dächern leben, die dasselbe Gespräch führen, jeden Abend aufs Neue, mit den immer selben Menschen, weil da sonst niemand ist, oder stelle ich mir das nur so vor. Ob sie eine Ruhe verspüren, oder ist es eine Angst, oder verspüren sie nicht mehr viel, und ist es meine großstädtische Arroganz, die da spricht.


Über mich wollte ich nicht schreiben, nicht über die Einsamkeit im Kranksein, und all die Fragen, die aufkommen, vielleicht weil der Körper nichts macht, und weil der Körper nichts macht, hat der Kopf zu viel Zeit.


Zwischen den Alpträumen kommen Erinnerungen, die guten. An nicht-gestellte Fragen, an das Gefühl, fliegen zu können, an einen Berg, der in Sonne lag, und das Heu leuchtete, obwohl blassgelb, auch das ist Island.


S. schreibt mir, denk daran, es sind nur diese Tage dazwischen, und das gefällt mir, dass es so ist. Ich erinnere mich an die anderen, halbleeren Wohnungen überall auf der Welt zurück: Die zerschneidenden Halsschmerzen in Toronto, ein zerfallenes Hotel irgendwo im russischen Nicht, eine slowakische Einsamkeit, ein endloser Weg an einem Meer, das könnte irgendwo sein.


Zwischendrin kommen mir Ideen für neue Romane, dann will ich den, an dem ich schreibe, und an dem ich ja eigentlich gar nicht schreibe, schon wieder weg schmeißen, ich bin ja so ein wandelndes Gefühl. Dann denke ich noch an Worte, ungesagte, und wie immer, wenn ich krank bin, schaue ich Filme, die mich zum Weinen bringen, an einem Abend “Love Story” zu Ende, am nächsten Tag einen, an dessen Titel ich mich nicht einmal erinnern kann, da sagt dann einer in einem Brief “you were my dearest friend, my deepest love, the best of me”, darüber müsste ich eigentlich lachen und spätestens da umschalten, um noch in den Spiegel sehen zu können, aber weil ich krank bin, heule ich ein bisschen drauf los. Dann denke ich mir noch einen Titel aus für den Roman, und abends, da bin ich froh, dass es immer zu hell ist in Island, so bleibt die Angst länger weg. Außerdem sehne ich mich nach Süßkartoffelpüree, schrieb ich das schon, und ich hülle mich in ein weißes T-Shirt.

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