top of page
  • Lena Gorelik

Island – 25. April – 2016 – Ich habe aufgehört, die Tage zu zählen

Gelber Hafer, darin. Der letzte Mensch auf der Welt. Über dem Hafer Vögel, die sich in Steinfelsenspalten einnisten. Hinunterkugeln, oder auch nicht.


Aber das Wichtigste zuerst: Heute habe ich meine Eier selbst in einem geothermalen Herd gekocht. Also genau gesagt im aus der Erde aufsteigenden Dampf. Hierzu legte ich sie in ein Netz, das an einem Bambusstock, einer Art Angel, hing, und diese Angel wiederum hing zehn Minuten im Dampf. Die Eier schmeckten vorzüglich, es ist möglicherweise eine der touristischsten Beschäftigungen auf dieser Insel, und ich habe es geliebt.


Am Morgen war das Ende. Dazu gibt es nicht zu viel zu sagen, weil es sich genauso anfühlte, wie ein Ende.


Danach, dann, überhaupt.


Gelber Hafer, darin. In diesem Land wechseln sich Landschaften ab, als gäben sie sich beim Staffellauf den Stab in die Hand. Schwarze Steinfelsen. Gletscher. Flüsse, die sich elegant durch Lava ziehen. Das braune Grün, das verblichene, das aus der Welt von Oz, und dazwischen das Alte. Meer. Schnee. Und alles andere auch, sozusagen die ganze Welt.


Gelber Hafer, darin. Auf das Meer herunterschauen, Meer links, unterhalb ein rotes, leer stehendes Häuschen (darin war nichts, auch wenn ich einen Toten vermutete, eigentlich zwei), der letzte Mensch auf der Welt, und deshalb die Frage, könnte man, wollte man, sollte man, die Vögel kreischen, aber nicht laut genug.


Hier bleiben wollen. Hier wollen. Hier bleiben. Im Licht der Wahrheit Fragen stellen.


Am Strand steht ein riesiger schwarzer Felsbrocken. Er steht nur da, er hat nichts zu sagen. Er steht mitten im schwarzen Sand, und dennoch ist er schwärzer. So. Der schwarze Strand ist warm, sich hinein legen, aus Steinen bastle ich ein Gesicht. Das ist der Philosoph, der die Frau seines Wunsches niemals erobern durfte, weshalb er zu philosophieren begann. Daneben noch ein Steinmännchen. Und wer ist das? Das ist der Nachbar, der ihn tot auffand. Ein Steinchenauge fällt wieder herunter. Und warum hat er kein Auge? Die Katze des Philosophen hat es ihm ausgekratzt. Auch hier bleiben wollen.


Irgendwo in diesem Land fließt ein Fluss. Das ist ein Land, durch das sich Flüsse ziehen wie Adern durch einen Körper, diese Tatsache macht diesen Satz also furchtbar trivial. Aber irgendwo in diesem Land fließt ein Fluss. Der Fluss macht eine Beuge, und in ebendieser Beuge steht ein Hotel. Über dem Fluss ein Berg, aus dem Dämpfe aufsteigen, in verschiedenen Formen und Größen, geothermales Gebiet, diesen Begriff verwende ich seit drei Tagen, als sei ich ein geographischer Nerd. In diesem Hotel gibt es hervorragendes Essen, aber auch das ist eigentlich trivial. Das Hotel hat außerdem einen so genannten Hot Tub mit Blick auf den Fluss, das Wasser darin 38 Grad, endlich, endlich. Dazu ein Wein, alles dreht sich, Schwindel, auch trivial. Das ist das Ende vom Ende.

1 Ansicht0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Roman, sechster Tag

Habe ich vergessen zu notieren. Lief aber besser, glaube ich.

Roman, fünfter Tag

Muss mich zwischen Laufen und Schreiben entscheiden. Schreiben gewinnt, bin noch von gestern so ergriffen. Von den Gesprächen, von dem Denken, im Übrigen auch dem Denken über die Unmöglichkeit des Sch

bottom of page