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  • Lena Gorelik

einer dieser tage/14062015

Einer dieser Tage, an denen ich über der Ritter-Sport-Werbung (“unser Beitrag gegen einseitige Ernährung”) verzweifle, außerdem über die Dummheit der Menschen, und vor allem über meine eigene Arroganz.


Einer dieser Tage, an denen ich zu früh aufstehe, und zu lange im Zug sitze und zu viel nachdenke.


Einer dieser Tage, an denen ich wiederholt feststelle, dass es nichts gibt, worüber es sich in der Welt aufzuregen gibt, worüber sich Tucholsky und Brecht nicht schon empört hätten, und auch daran verzweifle, dass alle Mädchen von fünfzehn Jahren sich auf dieselbe Weise unverstanden und verloren fühlen, auch Anne Frank, dass ich also nichts besonderes bin, und fünfzehn übrigens schon lange nicht mehr, auch wenn ich mich häufig so benehme.


Anne Frank: Ein schönes Volk – die Deutschen.


Anne Frank: Ist die Mehrzahl der Menschen so egoistisch und knauserig? Ich finde es gut, das ich hier ein wenig Menschenkenntnis bekommen habe, aber jetzt reicht es.


Hanns Eisler hat nach eigener Aussage keine Liebeslieder geschrieben, weil er lieber Liebe praktiziert hat. In Moskau eröffnet die Oligarchen-Ehefrau Dascha Schukowa das Museum für zeitgenössische Kunst “Garage” an einem neuen Ort, erbaut vom Stararchitekten Rem Koolhaas. Die NASA hat die Qual der Langeweile an sechs Forschern getestet, um zu sehen, ob Menschen den dreijährigen Flug zum Mars aushalten würden. In meinem Kopf sind zu viele Gedanken.


Einer dieser Tage, an denen ich über Erinnerungskultur nachdenke, aber keine Antworten habe auf zu viele Fragen, und mich zu erheben mir erlaube über die, die ich nicht mehr als Gutmenschen bezeichne, immerhin das, sich an kleinen Fortschritten freuen, nicht nur bei Kindern, und zu wenig schaffe, auch wenn ich so viel tue, und mich frage: Wer sind diese Menschen, obwohl sie doch so viel mehr tun als ich; und ich mich für was Besseres halte, weil mir “Imagine” von John Lennon zu billig erscheint.


Einer dieser Tage, an denen ich mich entschuldige. Aus tiefstem Herzen. an denen ich mich frage, seit wann ich über Abgrenzung funktioniere; und ob vermeintliche Tiefe einem das Erheben in die Überheblichkeit erlaubt; und wie wunde Punkte etwas sein können, das nie mein Thema war.


Einer dieser Tage, an denen ich nicht weiß, wer ich bin, aber weiß, dass man Texte nicht mit solch einem Satz beenden sollte, wenn man nicht mehr fünfzehn ist, und auch keinen konzeptionellen dahinter setzen kann wie unser Beitrag gegen einseitige Ernährung, und auch nicht einfach nur einen Punkt


oder eine Leerzeile.


Einer dieser Tage, an denen ich an mir selbst verzweifle.


Wie so eigentlich oft. Im Übrigens auch an der Melodramatik.

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