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23. März 2015

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Gedanken, in kurze Zeilen unterteilt. München/Wiesbaden, 23.03.2015

Würde ich mich an Lyrik versuchen, denke ich, als ich vor dem Haus in der Spiegelgasse stehe, Wiesbaden, Spiegelgasse, müsste ich über die steinernen Engel, in die Fassade gemeißelten, schreiben, warum denke ich das. Ich versuche mich nicht. An der Lyrik. Vor einigen Wochen fasste ich zusammen, was ich auf 295 Seiten schrieb: Der Versuch, jemanden zu lieben, der anders liebt als man selbst. Und manchmal den Gedanken zulassen:
Der Versuch jemanden zu lieben, der einen zu lieben versucht. Und am Schluss doch erkennen müssen:
Der Versuch jemanden zu lieben, der einen nicht liebt. Und ob es ein grundsätzliches nicht lieben können ist oder ein personengerichtetes, also ein „dich“, ist im Moment der Erkenntnis beinahe nicht von Bedeutung. Eine Inhaltsangabe in vier Sätzen. Und kein Gedicht. Eine andere Zusammenfassung wäre: Gefühle, die einem abhanden kommen, ganz plötzlich, obwohl man meinte, diesmal blieben sie, vielleicht sogar für immer, durch Gesten der Zuneigung ersetzen, in der Hoffnung, wieder fühlen zu können. Und erst dann in die Aggression fallen, wenn auch das nicht hilft. In der Bahn: Zigeuner, das denke ich, bevor ich mich verbessere, Sinti und Roma natürlich, die Saxophon spielen, hit the road, Jack, und ich muss grinsen, trotz allem und gebe ihnen Geld. Der Wahlausgang in Frankreich hat eine andere Bedeutung vor dem Hintergrund von Houllebecq’s neuem Roman. Literatur bewegt. Wenn Wir-Geschichten immerzu in einem Ich erzählt werden, ich habe, ich bin, ich mache und tue, und das andere Ich, das das erste Ich zu einem Wir macht, ist nur Gestalt, mit der geschieht, ich habe, ich bin, ich mache mit dir, verschwindet dann dieses zweite Ich? Jeder liest seine eigene Geschichte. Die Geschichte von Nemzov, dem ermordeten russischen Oppositionspolitiker, kann nämlich auch als dies einer Mutter, die sich lange Zeit vor Sorgen wand, und ihn bat, bitte nicht, und Putin, und Mord, und überhaupt, Muttersorgen, gelesen werden. Wäre ich nicht drauf gekommen. Aber ich bin ja ich. Mutterdinge sind nicht meine Sache. Kinder sind Menschen mit Ideen, den ihren. Wenn man Sätze mithilfe der Umbruchtaste in Zeilen unterteilt, sind sie dann ein Gedicht? Ich las heute im Zug Else Lasker-Schüler.

Gedanken, in kurze Zeilen unterteilt. München/Wiesbaden, 23.03.2015
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