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Lena Gorelik

München, Büro, 30.08.2013

(Merken: Büro braucht einen besseren Namen. M. und F. nannten ihr Büro Abu Ghraib, das finde ich gut. Aber ich kann‘s nicht klauen).


Eigentlich wollte ich schreiben: Melancholie. Der Versuch, die Melancholie in Worte zu fassen.


Wolfgang Herrndorf ist tot. Seit ein paar Tagen schon. Seit ein paar Tagen lese ich in seinem Blog, immer wieder, an verschiedenen Stellen. Nimmt mich mit. Sein Schicksal, sein Tod (und warum sträubte ich mich, es andersherum zu schreiben, erst: Sein Tod, dann sein Schicksal), sein Schreiben, sein Blog. Immer wieder. Immer wieder lesen, immer wieder daran denken, immer wieder. (Redigieren wollen: Zu viel „immer wieder“. Dann die Entscheidung: Es muss auch nicht immer alles redigiert, berichtigt, vervollkommnent werden.)


Gerade gelesen: „Auschwitz-Lektüre überhaupt das Aufbauendste von allem. Sogar das Essen schmeckt danach doppelt so gut.“


Auch gelesen: „Beim Schreiben fehlen mir die passenden Verben. Und wenn ich sie habe, fehlt mir Konjugation. Das kann ich nicht für das Lektorat aufsparen, weil ich gar nicht weiß, was ich eigentlich sagen will.“


Ich lese nicht chronologisch, klicke mal hier, mal da. Zwischendrin eine SMS, lautlos, aber das Vibrieren höre ich dennoch. Schlechte Nachrichten von guten Freunden, als hätte ich nicht genug Melancholie. Ich zögere, weil ich nicht in Allgemeinplätzen antworten will, aber dann bleibt mir nichts anderes übrig.


Merke (gerade) beim Schreiben, dass ich schreibe, wie Herrndorf im Blog geschrieben hat (vielleicht. Vielleicht bilde ich es mir aber auch ein). Hatte das immer schon, diese Krankheit. Gute Texte gelesen, im Kopf – ungewollt – wie der/die andere (es waren mehr Männer, fällt mir in Rückblende – gerade – auf), geschrieben. Nicht nachgeahmt, nicht nachahmen wollen, es geht nicht anders. Als lebten die da drin, in meinem Kopf. Am Schlimmsten war Bernhard Schlink, wochenlang, dabei wollte ich schreiben wie ich.


Ich denke, während ich tippe, oder tippe, was ich jetzt gerade denke, ganz schön schnell, mein Gehirn, oder ist es normal.


Wenn das Bücherschreiben auch so schnell ginge (oder der Text, den ich heute noch für die taz schreiben muss. Apropos taz, hab mich gefreut. Jugenderinnerungen. Enthusiasmus. Aber was sonst, bei der taz. O., ich bin nicht zum Klischee verkommen, ich war schon immer eins.)


Poste bei Facebook „Melancholie.“ Weil ich nicht am taz-Text arbeiten möchte, oder weil mir langweilig ist, oder weil ich doch den geheimen Wunsch hege, das Gefühl zu teilen mit der Welt. (WTF. Kurz getippt und wieder gelöscht.)


Svenya postet „Leidhund“ und dann „Liebe dich“. Like ich jetzt das eine oder das andere oder gar nichts? Eine sonderbare Welt, in der wir da leben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich das hier gleich blogge.


Paul Buchanan, Mid Air. Auch Melancholie. (Thanx to M.)


Habe „Tschick“ ziemlich spät gelesen, diesen Sommer erst. Wollte ich nicht, weil es ja alle gelesen hatten, dann O. zuliebe. Schnell gelesen, obwohl im Urlaub und die ganze Zeit dabei zu schauen, dass die Kinder nicht im Meer oder irgendwelchen Pools ertrinken. (Zeiten, in denen Urlaub entspannend war und auch Zeit zum Lesen, seit ziemlich genau dreieinhalb Jahren vorbei). Mochte „Tschick“. Wollte ein Jugendbuch schreiben und wusste, dass ich es nicht kann.


Ich werde den Text nicht mit Melancholie schließen.

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